Hans R. Holdener, Gründer von Helvetica, im Interview

Kein Crash, keine Rezession, keine Überbevölkerung. Manches ist ganz anders, als es auf den ersten Blick aussieht. Gerade über den helvetischen Immobilienmarkt werden oft grenzwertige oder gar falsche Thesen verbreitet, sagt Helvetica's Gründer Hans R. Holdener.

Interview: Fredy Gilgen

Fredy Gilgen: Hans R. Holdener, Sie gelten in der Branche als Querdenker. Wollen Sie mit Ihren queren Aussagen nicht einfach provozieren?
Hans R. Holdener: Keineswegs, aber nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt zur Quelle. Und ich finde es immer wichtig, eine Sache wirklich zu Ende zu denken.

Die Katze ist nun aus dem Sack. Die SNB hat die Leitzinsen um 0.75 Prozent erhöht. Wohin geht die Reise?
Seit mehr als einem Jahr sage ich, dass die SNB die Zinsen aggressiver und schneller erhöhen sollte, aber auch dass sie die Zinsen dann wieder viel schneller nach unten korrigieren müsse.

Seit Jahren sagen Propheten einen baldigen Crash am helvetischen Immobilienmarkt voraus. Auch der UBS-Blasenindex ist seit Jahren im überbewerteten Bereich. Doch Sie sagen: Zu einem Crash wird es nicht kommen.
Nein, dafür sind die fundamentalen Treiber des Marktes einfach zu stark. So nimmt die Bevölkerung in unserem Land weiterhin stetig zu. Bis ins Jahr 2045 wird sie auf über 10 bis 11 Millionen steigen gemäss Bundesamt für Statistik. Das für den Bau verfügbare Land nimmt dagegen ebenso stetig ab. Nicht zuletzt auch wegen der überbordenden Regulierungswut der Behörden. Verdichtetes Bauen beispielsweise ist hierzulande weiterhin nur schwer möglich. Wenn Planungen, Baugesuche und Baubewilligungen laufend abnehmen, die Nachfrage nach Wohnungen aber weiter zunimmt, resultieren logischerweise steigende und nicht sinkende Immobilienpreise.

Gemäss ihrer These ist der Schweizer Immobilienmarkt seit 10 bis 15 Jahren eigentlich unterbewertet.
Ja, zu dieser These stehe ich. Seit Anfang Jahr haben wir eine Abkühlung im Transaktionsmarkt festgestellt. Das Timing für Immobilienkäufe war im Grunde genommen noch nie so gut wie heute. Der Markt weist seit 15 Jahren deflationäre Tendenzen auf, billiger wird es nicht.

Gilt das auch für Anleger in Immobilienfonds?
Gewiss, die massiven Kursverluste bei den kotierten Immobilienfonds um rund 20 Prozent sind nicht begründet und bieten für langfristige Anleger durchaus sehr attraktive Einstiegsmöglichkeiten. Einige der Fonds weisen mittlerweile sogar Disagios im zweistelligen Prozentbereich auf, das heisst, sie werden unter dem Nettoinventarwert der gehaltenen Immobilien gehandelt. Nach diesem historischen Kursrückgang erachte ich Investments in kotierte Immobilienfonds als äusserst attraktiv. Für unsere Helvetica Immobilienfonds bin ich sehr zuversichtlich, dass wir in der Lage sind, ein nachhaltiges Wachstum zu generieren. Die robusten Schweizer Wirtschaftsdaten, die anhaltend hohe Migration, die rückläufige Bautätigkeit und die steigenden Inflationsraten begünstigen dies. Und langfristig gelten Schweizer Immobilien zu Recht als krisenresistent.

Die abrupt steigenden Zinsen machen Ihnen keine Sorge?
Die Zinsen sind erwartungsgemäss gestiegen, ist auch gut so. Die Mehrheit der Immobilienbesitzer ist sehr konservativ finanziert, dieser Schritt kann sehr gut verkraftet werden. Käuferseitig erwarten wir eine vorsichtigere Anlagepolitik was zu einer Abkühlung im Transaktionsmarkt führen dürfte. Mittelfristig aber müsste sich der Markt auf einem leicht tieferen Niveau einpendeln. Für Projektentwickler kann es aber unstimmig werden. Dass die Käufer aktuell nicht mehr bereit sind, ein Projekt auf Jahre hinaus vorzufinanzieren, ist gesund und auch notwendig.

Der These, dass das Wohnen in der Schweiz immer teurer werde widersprechen Sie. Wie begründen Sie das?
Im Vergleich zum Ausland ist Wohnen sogar günstig. In unserem Land sind die Löhne in den letzten Jahren nämlich schneller gestiegen als die Mieten. Und es wurde sogar viel zu wenig gebaut. Die Nachfrage übersteigt bei Weitem das Angebot.

Sie beklagen sich sodann über die abnehmende Kompetenz in der Branche
Ja, das ist sehr bedauerlich. Die Pensionskassen bauen die eigenen Immobilienabteilungen ohne Not mehr und mehr ab und verlassen sich immer häufiger auf Investment Consultants, die sich ausschliesslich auf ihre Analysen stützen und den Markt nur aus der Distanz kennen. Finde ich schade.

Der von den Behörden vor knapp 15 Jahren eingeführte Referenzzinssatz, der für die Anpassung der Wohnmieten an den Hypothekarzins verbindlich ist, bekommt von Ihnen keine guten Noten.
Dieser Mechanismus ist eine merkwürdige Konstruktion und führt zu einer grossen Trägheit des Marktes. Mietanpassung nach unten und nach oben können nur stark verlangsamt erfolgen, was ich für unglücklich halte. Der Mietermarkt ist sehr gut geschützt, was ich richtig finde. Fair wäre aber eine normale Anpassung an den Landesindex der Konsumentenpreise analog wie bei den Geschäftsmieten.

Die von vielen beklagte Rückkehr der Inflation halten Sie für kein grosses Problem?
Hier ist eine sehr langfristige Perspektive angebracht. Die Schweizer Inflationsrate war in den letzten 15 Jahren praktisch immer bei null. Und viele haben sich daran gewöhnt. Nun sind die Teuerungsraten vor allem im Ausland explosionsartig gestiegen. In unserem Land muss man aber keine Bedenken haben. In der ganz langen Frist über 50 und mehr Jahre lag die Inflationsrate in der Schweiz bei fast 2,5 Prozent. Das war während Jahrzehnten ganz normal. Mit Inflationsraten von 2 Prozent kann die Wirtschaft sehr gut leben, wie die Geschichte gezeigt hat.  Besser noch als mit einer solchen von 0 Prozent, die gefährlich nahe an einer die Deflation liegt.

Eine Rezession wird es Ihrer Ansicht nach nicht geben?
Eine rückläufige Wirtschaftsentwicklung scheint mir mittelfristig eher unwahrscheinlich. Die felsenfeste Schweizer Wirtschaft kann Inflation und viel höhere Zinsen verkraften, ohne in eine langjährige Rezession abzudriften.

Einer weiteren oft gehörten Behauptung widersprechen Sie ebenfalls energisch, der Behauptung unser Land sei überbevölkert.
Da reicht ein kurzer Blick ins Ausland. Die Bevölkerungsdichte in London ist um 90 Prozent höher als in Zürich. In Tokio sind es sogar 222 Prozent mehr. In der Stadt Paris zählt man sogar 20'500 Einwohner pro Quadratkilometer, das übertrifft die Zahl von Zürich um 310 Prozent. Selbst Kopenhagen und Brüssel schlagen Zürich diesbezüglich deutlich. Wenn mir gesagt wird, dass die Bevölkerungsdichte in Zürich extrem hoch ist, sage ich: Schau dir die Fakten an.

Auf dem Land gilt dies vermutlich erst recht?
Die Schweiz sei gebaut, ja zugebaut, bald gebe es kein grünes Pflänzchen mehr. Wer im Flugzeug über die Schweiz fliegt, kann selber feststellen, das dem nicht so ist. Nur 7 Prozent des Landes sind überbaut. Und ganze Regionen wie das Emmental, der Oberaargau oder verschiedene Alpenregionen schrumpfen seit Jahren.

Zur Person

Hans R. Holdener (56)
Gründer von Helvetica, einer unabhängigen Immobilienfonds- und Vermögensverwaltungsgesellschaft, die von der Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA reguliert wird.

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